ABUNDANT LIFE | SCHWEIZ

Zwangsprostitution

Freiwillig oder gezwungen?

Von Anat Brenner

Die Geschichte von Anja, einem Opfer von Menschenhandel aus der Ukraine 
Anja erzählte uns, dass sie vor zehn Jahren eine sehr intelligente und beeindruckende Frau kennenlernte, die ihr eine Stelle in Israel anbot, und das für 1.000 Dollar im Monat. Anja reiste mit einer Freundin über Ägypten nach Israel ein. Sechs Tage lang liefen sie von Ägypten nach Israel. Unterwegs wurden sie von den Beduinen zusammengeschlagen. Als sie die Grenze  Israels erreichten, wurden sie von einem Wagen mitgenommen, ihnen wurden die Augen verbunden, und sie wurden über Nebenstraßen und Feldwege nach Rischon LeZion gebracht, wo sie mit anderen Mädchen zusammen in eine Wohnung eingesperrt wurden. Einige Mädchen mussten sich den Zuhältern nackt präsentieren, die einige von ihnen kauften.

Viele Tage lang mussten sie sich prostituieren, dann schnappte die Polizei die Männer, die sie gekauft hatten. Zu der Zeit hatte man den Mädchen bereits die Pässe abgenommen. Sie blieben in einer israelischen Unterkunft für Opfer von Menschenhandel. Bis heute, viele Jahre später, kämpft Anja mit rechtlichen Mitteln, um mit Würde in dem Land leben zu können, in dem sie so furchtbar missbraucht wurde. 

Abundant Life macht sich für den Schutz des Kindes im Mutterleib stark, aber auch für die Sicherheit und das Wohlergehen von Frauen. 2007 begann Abundant Life Frauen zu helfen, die zur Prostitution gezwungen wurden und Frauen, die allgemein in Prostitution leben. Wir fragen uns: Wie können wir mit Frauen Kontakt aufnehmen, wenn sie heimlich ins Land gebracht und in Wohnungen gefangengehalten werden? Hier überraschte mich Gott, und die erste Frau, mit der wir in Kontakt kamen, war aus Usbekistan. Von ihr werde ich später erzählen. 

Seit den 90er Jahren ist Israel eines der Hauptziele von Menschenhandel mit Frauen geworden. Durch weltweite Entwicklungen wie den Zusammenbruch der Sowjetunion und die folgenden wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen ist Menschenhandel allgemein gestiegen. Die soziale Sicherheit von Millionen Menschen war plötzlich derart in Frage gestellt, dass ihr Lebensunterhalt, ja ihre Existenz bedroht war. Die sozialen Sicherungssysteme der ehemals kommunistischen Staaten funktionierten nicht mehr. Die Gleichgültigkeit der Öffentlichkeit und der Behörden in diesen Ländern machte es möglich, dass der Menschenhandel mit Frauen aufblühte. Von allen Frauen, die derzeit in Israel in Prostitution arbeiten, haben das vor ihrer Zeit in Israel nur 9 % getan. 29 % geben an, dass sie in ihrem Herkunftsland arbeitslos waren. Die anderen arbeiteten als Sekretärinnen, Lehrerinnen, Näherinnen usw. für einen Durchschnittslohn von 38 Dollar im Monat. 

Die meisten Frauen, die durch die Sexindustrie nach Israel kommen, kommen über die Grenze zu Ägypten – eine Grenze, über die auch Waffen und Drogen geschmuggelt werden. Sie kommen in Autos oder zu Fuß ins Land, und die Reise ist oft sehr schwer. Die Beduinen, die die Frauen über die Grenze bringen sollen, schlagen oder vergewaltigen sie manchmal. In Israel werden die Frauen an Zuhälter verkauft. Eine Frau kostet in Israel zwischen 4.000 und 10.000 Dollar, je nach Aussehen, Alter, Hautunreinheiten, Anzahl der Geburten und Erfahrung in Prostitution. Nach ihrem Verkauf müssen die Frauen anfangen zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt hat man ihnen ihre Pässe bereits abgenommen, und dadurch werden alle Pläne zur Flucht sehr kompliziert, denn nun sind sie ohne Identitätsnachweis und damit ohne Rechte in einem fremden Land. 


Die Geschichte von Olga, einem Opfer von Menschenhandel aus Usbekistan
Als Olga ihr Baby zur Welt brachte, rief mich eine Sozialarbeiterin aus Tel Aviv an und bat mich, sie im Krankenhaus zu besuchen. Als ich ankam, sagte man mir, dass Olga ihr Baby verlassen hatte und weggelaufen war – zurück in den Stadtteil, wo Prostitution und Drogen an der Tagesordnung sind. Wir fuhren los, um sie zu suchen, und fanden sie in dem Bordell, wo sie arbeitete. Das war das erste Mal, dass ich im Rotlichtbezirk war, ein Bordell betrat und mit einer Prostituierten sprach. Ich merkte, dass ich Gottes Hilfe und Weisheit brauchte, um zu erkennen, wie wir Olga helfen konnten. Im Gespräch bot ich ihr an, dass ich einmal in der Woche vorbeikommen und sie abholen würde, damit sie das Baby im Krankenhaus besuchen konnte. Ich hoffte, dass der Kontakt zum Baby und die Zeit mit ihm ihre Muttergefühle wecken und sie motivieren würden, den Kreislauf von Drogen und Prostitution in ihrem Leben zu durchbrechen. Fünf Monate lang kamen wir zum Bordell und fuhren dann mit ihr zum Krankenhaus, um ihren kleinen Jungen zu besuchen, der gerade einen Entzug durchmachte, da er drogenabhängig geboren worden war. In dieser Zeit erfuhren wir ihre Lebensgeschichte – eine Geschichte voll von Missbrauch. Niemand hatte Olga gesagt, bevor sie nach Israel kam, dass sie in einer Wohnung in Eilat eingesperrt werden würde, dass ihr der Reisepass abgenommen würde, und dass sie keinen Wert, keine Würde und keine Rechte haben würde. Nachdem sie aus der Wohnung in Eilat ausgebrochen war, arbeitete Olga weiter als Prostituierte, um sich im fremden Land über Wasser zu halten. So lebte sie am Rande der Gesellschaft, ohne die nötigste Grundversorgung. 

Seit der Zeit gingen wir jede Woche zu den Bordellen am alten Busbahnhof von Tel Aviv. Diese Gegend kannten wir gut, denn hier waren wir als Kinder oft in einen Bus eingestiegen. Aber die Gegend war jetzt nicht mehr wiederzuerkennen. Jedes Haus war ein Bordell, und jede Straße und jeder Hinterhof ein Drogenumschlagplatz. Hier gibt es jede Menge Gewalt. Mädchen werden dort geschlagen und sogar umgebracht, und das am helllichten Tag, während im Hintergrund Tausende von Flüchtlingen umherirren. Als diese Gegend vor kurzem in die Schlagzeilen geriet, gab es ein paar Änderungen. Man versuchte, die Prostitution zu bekämpfen, und so wurden viele Bordelle zu Kaffeehäusern für Flüchtlinge. Die Mädchen wurden verstreut, aber das Problem wurde nicht gelöst – es hat sich nur auf ein größeres Gebiet verteilt. 

Durch unseren Kontakt mit diesen Menschen haben sich einige Prostituierte dafür entschieden, ihr Baby zu behalten und es nicht abzutreiben, Frauen sind weggekommen von den Drogen und haben einen Entzug gemacht, und einige Frauen wurden sogar gerettet. Jesus sagte zu ihnen: „Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr.“ (Matthäus 21,31)


RED CARPET... 
Nadia saß auf dem Sand. Es war offensichtlich, dass sie schon tagelang auf der Straße lebte. Alles um sie herum war schmutzig, und in der Nähe saßen andere Mädchen, die sich gerade Heroin spritzten. Nadia stand unter Drogeneinfluss, deshalb konnten wir nicht mit ihr sprechen, aber sie rieb sich immer wieder die Zehen, die rot und geschwollen waren und sicher schmerzten. Wir konnten nichts tun als ihr die Hände auflegen und für sie beten. Beim Abschied fühlten wir uns traurig und hilflos, aber es wurde auch eine neue Vision geboren. Wir würden eine Einrichtung eröffnen, wo wir Hilfe anbieten würden – durch Pediküre und Maniküre! Ein paar Monate später im Jahr 2011 eröffneten wir „The Red Carpet Nail Center“ (Nagelstudio Roter Teppich). 

Bis jetzt haben etwa 60 Frauen Fuß- und Nagelpflege bei uns erhalten. Manche der Frauen kamen dann noch einmal wieder, um zu reden, für sich beten zu lassen oder um etwas Warmes zu essen. Die Frauen sind Jüdinnen, Araberinnen, aus der ehemaligen Sowjetunion (aus Moldawien, der Ukraine, Weißrussland usw.) und sogar aus Europa und dem Fernen Osten. Die meisten von ihnen sind drogenabhängig, und alle sind Prostituierte. Auch Transsexuelle und ein homosexueller Mann haben unser Nagelstudio schon in Anspruch genommen. Während der Nagelpflege können wir zuhören, beraten, evangelisieren und mit ihnen beten und wir können versuchen ihnen zu helfen, wo auch immer wir können.

Unser Team besteht aus sechs Frauen, die jede Woche ins Nagelstudio kommen. Wenn Jesus heute nach Israel käme, dann käme er in das Gebiet am alten Busbahnhof von Tel Aviv. Hier würde er die Samariterin und Maria Magdalena treffen. Sie sind hier, und sie warten auf die Hoffnung, die nur Er ihnen geben kann. 

Aber wie wird das geschehen, wenn wir nicht seine Hände und Füße werden?